Ich Weiß Nicht Alles — Wann Können Es Andere Wissen?

Kurzfassung: Wenn ich nicht alles weiß. Können es dann andere wissen? Wenn das Wissen anderer, mein Leben diktieren würde, wann würde ich lieber glauben, dass es unwahr ist? Und warum will ich dann teilweise, dass dieses mir Unbekannte, gar nicht wissbar ist?

Output einer bildgenerierenden KI (Dall-E) zum Impuls: “Person understanding they dont know all; renaissance oil painting; inspirative”

Eigentlich sollten wir uns am laufenden Band bewusst sein, wie viel wir nicht wissen. Wieso erholt uns Schlaf, und ist guter Schlaf? Wie funktioniert der Wecker, der uns morgens weckt? Warum verhalten sich meine Mitmenschen anders, als ich es erwarte? Die banale Erkenntnis, wie wenig wir wissen, ist dafür allerdings recht wenig verbreitet.

Es ist schon so, dass jeder Mensch in gewisser Weise, seine eigene Wahrheit über die Wirklichkeit hat, welche nicht die wirkliche Wahrheit der Wirklichkeit ist. Jedoch ist die Entfernung der individuellen Wahrheit von der wirklichen Wahrheit entscheidend. Je weiter die individuelle Wahrheit von der wirklichen Wahrheit “entfernt” ist, desto stärker ist die Dissonanz zwischen erwartetem Reagieren der Umwelt, und tatsächlichem Reagieren der Umwelt. (A) Ich denke mein Kollege mag mich sehr arg, er mag mich aber nur sehr. = Er kommt vielleicht nicht zu einer Feier, wenn gleichzeitig seine beste Freundin heiratet. B) Ich denke Gott schützt mich vor Schwerkrafteffekten, wenn ich vom 30 Meter hohen Kirchturm betend auf den Vorplatz der Kirche springe. = Ich bin tot.) Ab einem gewissen Ausmaß der graduellen Dissonanz zwischen meiner und der wirklichen Wirklichkeit, bin ich, konkret gesagt, nicht mehr lebensfähig.

Jetzt fühle ich mich ja, unter anderem, deswegen als cleveren Menschen, weil ich (stehts) versuche aus meinen (mal mehr mal weniger) hinterfragten Beobachtungen für mich etwas abzuleiten. Wenn ich feststelle, dass ich für viele Fragen, welche für meine Interaktion mit und mein Überleben in der Welt wichtig sind, nicht genügend Wissen habe, versuche ich mir Rat und Hilfe zu holen.

Jetzt ist es aber leider so, dass ich ja auch nicht weiß, wo ich guten Rat und gute Hilfe bekomme. Wem sollte ich denn mein(en) Glauben schenken? Denn mit dem Wissen oder “Wissen”, dass mir jemand gibt, gewinnt diese Person auch Einfluss auf und über mich. Dieses Dilemma liegt zunächst jedem von uns vor, wenn wir uns gewahr werden, dass wir nicht alles Wissen, das wir brauchen, haben.

Und dieses Dilemma lösen Menschen auf drei großen Wegen, die alle ihre Probleme haben.

1) Sie leugnen, dass es etwas zu wissen gibt, was sie nicht wissen.

Lösung: So lößt sich das Problem, indem man den Ausgangsimpuls an sich in Frage stellt und auflößt.
Problem: Die Distanz zwischen der eigenen Wahrheit und der wirklichen Wahrheit wird auf diese Weise nicht verändert. Dissonanzen treten weiterhin auf und müssen beigelegt werden. (Und ja, um das Beispiel von eben überzustrapazieren: Im Kontext von “B)” bedeutete das Beilegen der Dissonanz zwischen meiner Wirklichkeit und der wirklichen Wirklichkeit für einen selbst, dass man stirbt. Würde man einen Menschen betrachten, welcher betend vom Kirchturm springt und stirbt, könnte man das Problem eventuell lösen, indem man sagt: “Die Person hat wohl nicht gebetet.”)

2) Sie leugnen, dass das, was sie nicht wissen, überhaupt gewusst werden kann.

Lösung: Man kann auch die haaresträubenderen Dissonanzen befrieden, indem man anerkennt, dass es etwas gibt, was man nicht weiß. Zudem setzt man sich nicht der Gefahr aus, Wissen von Außen zu erhalten, sowie dieses Wissen passend zu filtern und hinterfragen. Man kann so teilweise seinen Standpunkt der persönlichen Wahrheit lockern und anpassen.

Problem: Es gibt keine gute Möglichkeit vom Wissen Anderer in den Bereichen zu profitieren, in welchen man Unwissen hat. Man hat keine gute Grundlage, aufgrund derer man sich der wirklichen Wirklichkeit annähern kann. Ob sich die Dissonanzen vermindern ist höchstens zufällig korrelativ, aber nicht zuverlässig kausal möglich. Hier entwickelt sich die Tendenz dann oft zu etwas Pseudo-Wissenschaftlichen, Esoterischen oder Göttlichen. (Gerade in Bezug zu Menschlichem wie Empfundungen oder Erziehung beobachte ich das Phänomen persönlich des öfteren in Gesprächen)

3) Sie suchen Wählen Wissensquellen nach vertrauensschaffenden Kriterien aus, um Handlungsempfehlungen zu erhalten.

Lösung: Man kann von dem Wissen anderer profitieren und Anpassungen der individuellen Wirklichkeit in großen Schritten vollziehen.
Problem: Man muss sich stark mit der Bewertung der Vertrauenswürdigkeit und Kompetenz der Informationsquellen auseinandersetzen. Schließlich setzt man seine Vorstellung der Wirklichkeit um auf Standorte, welche von den externen Quellen (ggf. komplett) vorgegeben werden. Je nach Kontext ist hier ein starkes Manipulationspotential spürbar. (Gerade bei “once in a lifetime” Entscheidungen wie Operationen, großen Anschaffungen, langfristigen Investitionen, etc. ist diese Abhängigkeit für uns am stärksten Spürbar)


Es ist dir wohl klar, dass ich Verfechter der dritten Lösungsstrategie bin. Wenngleich ich denke, dass uns jetzt durchaus klar ist, wo das Problem bei allen drei Strategien ist. Und ich denke auch, dass uns klar ist, dass Viele, wenn sie mit wichtigen Entscheidungen konfrontiert sind, sich für den dritten Weg entscheiden. Jedoch ist Wahl der vertrauenswürdigen Informationsquelle nicht immer so erfolgreich, wie man es sich wünscht. Oft geht man Agenda-Settern auf den Leim und gerade wenn man sein Leben bereits nach deren Empfehlungen ausgerichtet hat, sind die versunken Kosten oft ein starker Anreiz um unsere Wirklichkeit nicht zu ändern.

Wir erfahren dieses Phänomen häufig in Diskussionen mit Mitmenschen. Ich denke nach dieser kurzen Ausführung konnte ich meine Logik zu der zugrundeliegenden Dynamik schon vermitteln. Ich hoffe, die Ausführung kann dir helfen, in Gesprächen mit Menschen, die dir wichtig sind, einen guten Weg zu Kompromis und Konsens zu finden.

Diskursplan für solche Fälle:

  • Sich gegenseitig darauf einigen, dass der dritte der oben genannten Wege des praktischste ist.

  • Anerkennen, dass man externes Wissen benötigt.

  • Zugrundelegen, wie man vertrauensvolles Wissen erlangt.

  • Gemeinsam nach einer vertrauensvollen Entscheidungsgrundlage suchen.

  • (teilweise notwendig) Bestehenbleibende unterschiedliche Blickwinkel auf eine unterschiedliche Interpretation der gemeinsamen Wissensgrundlage zurückführen und Konsens hierin finden.

Danke fürs Lesen! Bleib hübsch <3

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