Reminiszenz technischer Geräte - ein Gastessay

Kurzfassung: In einem kurzen Gastbeitrag evoziert Adrian Seeliger in mir Gedanken zu Melancholie und Achtsamkeit. Dafür reicht ihm ein gängiger Bürogegenstand. Was können wir daraus für lernen?

Es freut mich immer besonders, wenn ich die Leute um mich herum gedanklich anstoßen, oder sie zur Partizipation an meinen Interessensgebieten animieren kann. Dergestalt freue ich mich immer besonders über Gastbeiträge von kreativen Köpfen um mich herum, zu welchen ich Adrian zähle.

Danke für die Teilhabe und das Gedanken-anstoßen-lassen. Auf das du das Gleiche mit den Lesenden machst.
(Gute Gastbeiträge immer gerne an mich herantragen)

Johannes

 

Technische Geräte lösen Reminiszenz aus. Anscheinend nicht nur bei mir - Werke von bspw. Dieter Rams (Elektrogeräte von Braun) füllen unter dem Thema Industriedesign seit Jahren Museen und Ausstellungen von Kronberg im Taunus bis New York. Das gilt nicht nur für Funkradios aus den 1960ern, Apple hat ebenfalls auf das Thema gesetzt und seine Weltmarktführerschaft nicht zuletzt einem ansprechenden Design zu verdanken.

Doch ich glaube analog funktionierende Geräte faszinieren viele oder zumindest einige Menschen besonders.

Meine Aufmerksamkeit fiel zuletzt auf einen Locher von der Firma Leitz. Als Johannes mich fragte, ob ich Ideen für einen Blogbeitrag hätte, schaute ich mich an meinem Arbeitsplatz um. Inmitten von randlosen Flachbildschirmen, modernen Dockingstationen und Plastikkulis sprang ein simpler Locher direkt in mein Auge. Einfache, gerade Metalloberflächen (solider Stahl - kein Plastik*) und sichtbare funktionale Bauteile dominieren das Design. Form follows Function. Die Druckfedern sind gut sichtbar, genauso wie Verbindungselemente und produktionsbedingte Aussparungen oder Verstärkungen.

Doch der Locher hat mehr in mir ausgelöst als bloß ästhetische Begeisterung. Es waren Erinnerungen und Assoziationen, die meine Gedanken am Locher festhängen ließen. Früher gab es vermutlich ein ähnliches Fabrikat in unserem Haus. Ich habe als Kind bestimmt Stunden mit diesem Locher verbracht. Seine Funktionsweise auf Herz und Nieren getestet. Was nicht sehr schwer war, es bewegte sich lediglich das Oberteil hoch und runter. In Folge dessen senkten sich stets die zwei Stanz-Stifte und lochten das Blatt Papier (oder Plastik, oder Gummiband, oder was auch immer mein 25 Jahre jüngeres Ich in den Spalt quetschte).

Einmal habe ich verschiedenfarbige Blätter gelocht um Konfetti zu produzieren, was jahrelang noch in Spalten der alten Holzdielen zu finden war. Außerdem dauerte es SEHR lange.

Ähnlich erging es mir vermutlich beim "Entdecken" und ausgiebigen Testen diverser Stifte, eines Tackers oder des Zirkels (kreiselige Muster malen, bis das Spitze Ende durch das Papier hindurch ein Loch in den Tisch gestochen hatte).

Was diese Erfahrungen und die damit verbundenen positiven Assoziationen gemeinsam haben ist ein besonderes haptisches Erlebnis.

 

Ich konnte mich mit Adrians Beitrag gut identifizieren. Meine Transfergedanke (vom Kleinen ins Große) ist folgender:

“Wie kann ich mir in meinem digitalen, abstrakten und direkt-zweckrationalen Alltag mehr Raum und Wille für solche physisch-meditativen Erfahrungsinteraktionen schaffen, ohne dass es singulär und pseudo-aktionistisch erscheint? - Vielleicht spielt Design non-digitaler (technischer) Geräte dort eine wichtige Rolle. (ein Fahrrad, eine Werkstatt, ein Zelt, …)”

Johannes

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