Ein Lob auf Selbsthilfegruppen - Ein Gastessay
Kurzfassung: Leben ist gekennzeichnet durch das Schöne und das Schwere. Der Umgang mit beidem sollte nicht alleine stattfinden, auch wenn wir uns gerade im Schweren oft alleine fühlen und finden. Ließ’ Anna’s wunderbaren Beitrag zu Selbsthilfegruppen und was du und viele Andere zu diesen wichtigen Räumen lernen können.
Ich freue mich immer wenn Freunde und Bekannte mir anbieten ihre inspirierenden Gedanken hier zu veröffentlichen. Heute darf ich einen weiteren von Anna’s tollen Impulstexte präsentieren. Nur Kurzfassung, Bild und Vorwort wurden von mir hinzugefügt. Danke Anna!
Im November 2021 erhielt ich eine e-Mail, in der ich zum Initialtreffen einer jungen Selbsthilfegruppe eingeladen wurde, für die ich mich einige Monate zuvor auf die Warteliste habe setzen lassen. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits in therapeutischer Behandlung, um einige Themen zu bearbeiten, die mich in dem Jahr ziemlich mitgenommen hatten. Daher war auch mein erster Gedanke: Das brauche ich doch gar nicht mehr! Ich ging trotzdem zu dem Treffen und wurde langsam aber sicher großer Fan des Formats von Selbsthilfegruppen.
Für alle, die nicht wissen, was eine Selbsthilfegruppe genau ist: Es ist im Grunde genommen ein mehr oder weniger loser oder verbindlicher Zusammenschluss von Menschen, die die gleichen Themen beschäftigen. Und die Gruppen sind nicht therapeutisch begleitet, sondern selbst organisiert. In meinem Fall sind es vier bis sieben Menschen, die regulärer Teil der Gruppe sind, und die alle mit psychischen Themen, vorrangig Depressionen, zu kämpfen haben. Selbsthilfegruppen können verschiedene Formen annehmen, von denen das Format der „Anonymen Alkoholiker“, was viel mediale Öffentlichkeit bekommt, sicher nur eines von vielen ist. Bei uns läuft es eher so: Nach einem kurzen „Check-In“, wie es allen geht und welche Themen sie zum Treffen mitbringen, fragen wir die, die z.B. ganz akute Schwierigkeiten haben, ob sie berichten möchten, und besprechen deren Anliegen. Manchmal geht es auch um generelle Themen, um den Austausch von ähnlichen Erfahrungen oder Tipps und Hilfestellungen.
Diesen Dezember besteht die Gruppe seit einem Jahr, was mich persönlich unglaublich stolz macht. Und was ich auch niemals erwartet hätte, war dass die Gruppe mir so viel gibt. Und da ich ein Fan von Listen war und bleibe, hier die drei Top Dinge, die ich aus meiner Selbsthilfegruppen-Erfahrung mitgenommen habe.
1) Du bist nicht allein.
Wohl die zentrale Erfahrung, die Psychotherapie und Austausch mit (nicht-betroffenen) Freund*innen nicht geben kann: Obwohl uns alle auch teilweise verschiedene Anliegen beschäftigen, teilen wir auch unglaublich viel unserer Erfahrungen. Das gibt extrem viel Kraft.
2) Alle Erfahrungen und Emotionen sind valide.
Gegenseitiger Respekt und gegenseitige Achtung sind absolut wesentliche Werte von Selbsthilfegruppen. Der Austausch konnte mir daher auch oft lehren: Vielleicht ist das heute nicht, was, was mich persönlich beschäftigt, aber ich respektiere, dass es für die andere Person ein Thema ist und ich möchte ihr helfen, so gut es geht. Denn die gleiche Offenheit und der gleiche Respekt wird auch mir gegenüber immer gezeigt.
3) Auch Menschen, die Gruppen scheuen, können in Selbsthilfegruppen Anschluss finden.
Meine sozialen Ängste und das Unwohlsein in Gruppen waren eines der großen Unsicherheiten, die ich hatte. Doch es stellte sich heraus: Das ging den Anderen teilweise auch so, und so fanden wir Wege, uns alle damit wohl zu fühlen.
Zu diesen drei Punkten kommt sicherlich noch der Aspekt, dass wir – psychologisch gesprochen – eine gewisse Erfahrung von Selbstwirksamkeit erleben können, indem wir uns eigenständig jede Woche treffen und organisieren.
Selbsthilfegruppen gibt es für alle möglichen Anliegen, für Betroffene von psychischen Themen, chronischen Erkrankungen, Angehörigen kranker Menschen, für Junge und Ältere. Also, checkt eure lokalen Angebote aus, wenn es Dinge gibt, über die ihr euch austauschen möchtet. Take care and stay safe!