Freundefinden auf der Hinterbühne
Verbundenheit in gemeinsamen Wissen - Ein Blick mit Goffmans Augen
Kurzfassung: Ein kurzer und stark vereinfachter Blick aufs Freundemachen. Wie ich euch meine Goffman-Brille aufsetze und euch sage, wie ihr öffnende Räume und daraus Freundschaften gestaltet.
Beliebte Theorien der Soziologie zeichnen sich in der Regel durch den ihnen eigenen soziolgoischen Blick auf soziale Prozesse aus. Der jeweilige soziologische Blick dient als Werkzeug um zwischenmenschliche Phänomene besser verstehen zu können. Heute soll es um einen der soziologischen Blicke gehen, welchen einer der Kernfiguren der Soziologie wunderbar gefasst bekommen hat. Die unübertroffene Betrachtung sozialer Rollenverkörperung von Erwing Goffman. Die Theorie der dieser soziologische Blick zugeordnet werden kann ist keine andere als die allgemeine soziologische Theorie.
In “Wir alle spielen Theater” findet Goffman, in einer für SoziologInnen ungewöhnlich allgemeinzugänglichen Schreibart, eine Unmenge an fantastischen Beobachtungen über das menschliche Miteinander und der Rollen die wir dabei spielen. Bei dem Kerngedanken, den ich hier davon herausgreife, geht es um den Bereich, welche in all diesen Rollen zum Tragen kommt, aber nie gesehen wird. Die Hinterbühne.
Disclaimer: Ich umreise hier in unerhörter Vereinfachung und fast schon empörender Polemik das, was Goffman doch in viel schönerer (aber zu meiner Verteidigung längerer) Form beschreibt. Aber Ihr habt ja scheinbar keine Zeit für ein Buch aber Zeit für einen Blog-Post. Ansonsten lest “Wir alle spielen Theater”!
Goffman arbeitet herrlich heraus, dass wir für die Darstellungen unserer Rollen immer auf einem möglichst tauglichen Bühnenbereich vor möglichst erwartbaren (und sich erwartbar verhaltenden) Zuschauern in einem möglichst kontrolliertem Setting auf eine fast schauspielerische Art auftreten (Beispiel Restaurant). Wir tragen Uniformen (Schürze, Geldbeutel, gewinnendes Lächeln, etc.). Wir benötigen spezielle Räume (Das Restaurant). Wir haben Handlungsvorgaben - fast wie ein Drehbuch (Begrüßungsfloskeln, standardisierte Fragen, Reihenfolgen der Bestellung, etc.).
Für das Inszenieren unserer Rollen sieht Goffman einen weiteren Kontext entscheident, in dem man all die Dinge erledigen kann, welche für die Bühnenarbeit relevant sind aber dort nicht gezeigt werden sollen oder dürfen (Umziehen, Essen, Trinken, sich über dem Ärger über die Gäste Luft machen, etc.). Die Hinterbühne.
In Kürze, auf der Hinterbühne können Menschen die Rollen mehr fallen lassen als auf der (Vorder)Bühne. Goffman würde zwar immer noch sagen, sie spielten Rollen, aber diese Rollen sind gerade durch eine Unbezwungenheit und größere Bedürfnisorientierung an den Wünschen der DarstellerInnen gekennzeichnet.
Und ich will mich hier einklingen und sagen: Hier lassen sich am leichtesten Freundschaften machen. Hinterbühnen sind “Räume” in denen gerade das anvertrauende Vertrauen, das mitmenschliche Miteinander, und das verstehende Verstandenwerden regiert.
Abgekürzt stellt sich dann die Frage: Wo finde ich denn diese Hinterbühnen? Auf diese Frage würde ich zurückgeben, die örtlicheren und institutionelleren Hinterbühnen kennst du meist schon (Kneipen, Zockabende, Wahrheit-oder-Pflicht-Spielerunden, etc.), und die die du nicht kennst, erreichst du nicht so leicht (Buchstäbliche Backstagebereiche, Hinterzimmerpokerrunden, etc.).
Aber abgesehen von den zwei Gruppen, gibts auch noch eine dritte: Die Hinterbühnen die du für Leute miterschaffen kannst. Hinterbühnen sind annehmend (Psychische Probleme, absolute Nischeninteressen, andersartige Stile, etc. werden nicht negativ sanktioniert) und ermutigen zum Teilhaben und Beitragen (Man wird wahrgenommen, ist bekannt, wird gefragt, und es wird implizit vermittelt, dass die Anderen davon ausgehen von dir akzeptiert zu werden). Nicht vergessen, Hinterbühnen sind “Räume”. Sie können digital (Im wöchentlichen Videocall), abstrakt (Parteimitgliedschaften), oder räumlich (Dein Balkon) sein, aber sie sind in irgendeiner Art - zumindest temporär (Euer Tisch im Café) abgetrennt (gerade das gibt den notwendigen Schutz).
Finde die Hinterbühnen der Freunde, die du machen willst. Wenn du sie findest, verhalte dich auf den Hinterbühnen entsprechend. Wenn du sie nicht findest, gestalte sie und verhalte dich entsprechend.
Freunde sind wichtig. Danke für deine Zeit und bleib’ hübsch.
References
Erwing Goffman (1983). Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag. Piper. ISBN: 9783492238915.